Foto: Daniel Junker

Familie Michaelsen aus der List lebt seit rund zehn Jahren ohne eigenen Pkw. Das Leben mit ihren drei Kindern führen die Eltern mit einem klimafreundlichen Mobilitätsmix nach dem Motto: „Nutzen statt besitzen“.

Während vielerorts noch über die Mobilitätswende diskutiert wird, hat Familie Michaelsen sie schon lange vollzogen. Seit rund zehn Jahren lebt die fünfköpfige Familie ohne eigenes Auto. „Als wir von Köln nach Hannover in die List gezogen sind, haben wir es abgegeben“, sagt Familienvater Holger Michaelsen. Dabei räumt er ein: „Die Entscheidung ist mir zunächst schwer gefallen.“ Doch sobald das Auto weg war, sei er erleichtert gewesen. „Wir müssen uns nicht mehr um Versicherung, Kfz-Steuer, TÜV, Winterreifen oder Autoreparaturen kümmern“, sagt der leitende Mathematiker, der bei einem großen Versicherungskonzern in Hannover arbeitet.

Carsharing statt eigenem Auto in Hannover

In der List brauche die Familie kein eigenes Auto. Bei Bedarf kann sie immer eines von den zahlreich vorhandenen Stadtmobil-Fahrzeugen nutzen. „Mit Carsharing habe ich immer ein funktionsfähiges Auto in der passenden Größe und muss nach einer Heimfahrt nicht auch noch einen Parkplatz suchen“, sagt der Vater von drei Kindern im Alter von 5, 10 und 14 Jahren.

Unkompliziert und immer verfügbar: Holger Michaelsen entriegelt ein Stadtmobil mit einer Chipkarte. Foto: Daniel Junker

Dabei wurde die Entscheidung der Familie für ein Leben ohne eigenes Auto im Bekanntenkreis zunächst eher belächelt. „Stets wurde gesagt ‚Beim nächsten Kind schafft ihr euch sicher ein Auto an, ihr werdet schon sehen, dass es ohne nicht geht’“, berichtet Michaelsen. Dazu sei es aber nie gekommen. Im Gegenteil. Für die Familie funktioniert das Leben ohne eigenes Auto ausgezeichnet.

Autofahren kommt bei Kindern schlecht an

Bevorzugt ist sie klimafreundlich mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Bei der Wahl des Mobilitätsmittels hat sich in der Familie ein einfaches Verfahren entwickelt: „Können wir mit dem Rad fahren? Falls nein, kommen wir mit den Öffis hin? Als letzte Option wird geprüft, ob wir mit dem Auto fahren sollten“, sagt Michaelsen. Bei den Kindern komme letzteres jedoch regelmäßig schlecht an. „Der Kleinen stinken die Abgase, der Mittleren wird schlecht und der Große guckt schnell per App, ob man nicht auch klimafreundlicher und entspannter mit Öffis zum Ziel gelangen kann.“

Unterwegs in Hannover: Die jüngste Tochter bringt Michaelsen mit dem Lastenrad zur Kita. Foto: Daniel Junker

Auch Ausflüge in die Eilenriede oder in den Deister unternimmt die Familie klimafreundlich. „In die Eilenriede fahren wir mit dem Rad und wenn wir im Deister wandern wollen, nutzen wir die Üstra und den Zug.“, berichtet der Wahl-Hannoveraner.

Urlaubsreisen: Ohne Auto mehr Zeit für alle

Auch Urlaubsreisen unternimmt die Familie ohne eigenes Auto. Dafür fahren die Michaelsens bevorzugt mit dem Zug. „Während der Fahrt können wir mit den Kindern Zeit verbringen, statt uns auf der Autobahn in ein Auto zu quetschen.“ Zu Beginn haben Michaelsen und seine Frau noch ausgerechnet, wie hoch die Kosten im Vergleich zum eigenen Auto gewesen wären. Aber am Ende war der umweltfreundliche Mobilitätsmix ohnehin stets günstiger.
Auch mit einem Stadtmobil ist die Familie bereits in den Urlaub nach Schweden gefahren. „Bei Fahrstrecken von bis zu 10.000 Kilometern pro Jahr ist das immer günstiger, als einen Privatwagen zu unterhalten“, hat der Vater ausgerechnet.

Nicht nur für kurze Strecken: Selbst für Urlaubsfahrten ist Holger Michaelsen mit seiner Familie schon ins Stadtmobil gestiegen. Foto: Daniel Junker

Mehr Lebensqualität durch weniger Autos

Michaelsen hofft, dass viele Menschen dem Beispiel seiner Familie folgen, um den Klimawandel zu reduzieren und die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern. Zwar haben nur die Hälfte der Haushalte in der List ein eigenes Auto. Dennoch seien alle Straßen, Kreuzungsbereiche und Fußwege meist zugeparkt. „Die Kinder können die Straße vor unserem Haus nicht nutzen, weil sie als Parkplatz dient“, bemängelt Michaelsen. Dabei ärgert es ihn besonders, dass viele der Autos unnötig sind und nur selten genutzt werden. „Private Autos stehen im Schnitt mehr als 23 Stunden am Tag herum. Würden diese Autobesitzerinnen und -besitzer Carsharing machen, wäre die Straße aus Sicht vieler Familien ein besserer Ort.“

Wohngebiet wird autofreies Ökodorf

Dass ein solch umweltfreundliches Leben auch in einer Großstadt möglich ist, stellt die Planung für das ecovillage unter Beweis, dessen Entwicklung Michaelsen seit rund zwei Jahren ehrenamtlich mit vorantreibt. In dem neuen Ökodorf auf dem Kronsberg werden ab Ende 2022 die ersten Wohngebäude bezogen. Insgesamt werden dort einmal rund 1000 Menschen klimaneutral und weitgehend autofrei leben. „Wir dort wohnt, wird vor der Haustür dann nicht als erstes auf Autos stoßen“, sagt der Familienvater. „Kinder bekommen den freien Platz vor der Tür und anstelle von Parkflächen sind Flächen für Haustiere eingeplant. Die haben im Ökodorf nämlich auch noch Platz.“