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Hannover arbeitet intensiv an der Mobilitätswende. Laut Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay soll der Radverkehrsanteil deutlich erhöht, das Auto in der Stadt verzichtbar werden. „Der Aufbau eines weitläufigen Velorouten-Netzes ist beschlossen und wird nun gestaffelt umgesetzt. Zwölf schnelle und kindersichere Routen sollen bis 2030 aus allen Stadtbezirken in die Innenstadt führen und das Radfahren zur schnellsten, komfortabelsten Fortbewegungsart in Hannover machen. Mein Ziel ist es, bis 2030 auf 25 bis 30 Prozent, wenn nicht gar 40 Prozent anteilige Fahrradnutzung zu kommen“, erklärt Onay. Dafür brauche es ein durchgeplantes ganzheitliches Mobilitätskonzept, das den Radverkehr stärker berücksichtige.
Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay will den Anteil des Radverkehrs in der Stadt deutlich auf 25 bis 30 Prozent erhöhen. Helfen soll dabei das Velorouten-Netz.
Ökologische Verkehrspolitik im Trend
Onays Mobilitätspolitik passt laut Raimund Nowak, Geschäftsführer der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg, in die Zeit. „Wir sehen europaweit eine starke Bewegung in Richtung einer ökologischen Verkehrspolitik und neuer Innenstadtkonzepte. Neben den klassischen Fahrradländern, wie die Niederlande oder Dänemark, tut sich sehr viel in Frankreich. Wenn die beiden großen Autonationen Deutschland und Frankreich ihre Ausrichtung verändern, dann ist das ein unübersehbares Signal für ganz Europa. Wer nach Paris, Lyon oder Straßburg schaut, sieht, wohin die Reise geht.“
Paris: Grünflächen statt Parkplätze
Die Pariser atmen auf: Seit 2016 genießen sie autofreie Sonntage in ausgewählten Zonen in der ganzen Stadt. Die Champs Elyseés sind an jedem ersten Sonntag im Monat Flaniermeile, „Paris Respire“ (Paris atmet) heißt das Programm. Jetzt soll die französische Hauptstadt zur ökologischen „Stadt der 15 Minuten“ umgestaltet werden: Von jedem Ort der Stadt aus soll innerhalb von 15 Minuten alles zu erreichen sein, was Bewohner im Alltag ansteuern müssen. Dafür werden Radwege ausgebaut, Autos entfallen größtenteils, 72 Prozent der Parkplätze werden entfernt und durch Grünflächen, Gemüsebeete und Spielplätze ersetzt. Das Programm kommt an. Mit ihm wurde die Bürgermeisterin Anne Hidalgo mit zwanzig Prozentpunkten Vorsprung wiedergewählt.
„Stadt der 15 Minuten“: In Paris sollen künftig alle anfallenden Wege von jedem Ort der Stadt aus innerhalb einer Viertelstunde für die Bewohner zu erledigen sein, möglichst viele davon mit dem Rad.
Ausbau der Radwege und Aussperrung der Pkw
Die Mobilitätswende-Pläne der Bürgermeisterin Anne Hidalgo gehen aber noch weiter: Langfristig möchte sie die Metropole zur europäischen Fahrrad-Hauptstadt machen.
Damit dies gelingt, wird beispielsweise jede Straße der Hauptstadt einen Radweg erhalten, der auf Brücken zusätzlich geschützt wird. Auf der viel befahrenen Straße Rue de Rivoli entlang des Louvre wurden kürzlich sogar mehrere Autospuren für Räder reserviert. Insgesamt soll das bisher 1000 Kilometer lange Velonetz zeitnah mindestens um 50 Kilometer verlängert werden. Auch die Orte im Großraum ziehen mit: Entlang der Metro-Strecken haben sie zumindest temporäre Radwege eingerichtet.
In Paris entfallen für Autos künftig auch auf den wichtigsten Verkehrswegen die Durchwegungen. Gleiches gilt für oftmals verstopfte Kreuzungen: Diese könnten schon bald zu Fußgängerzonen umgestaltet werden. Und um die Sicherheit von Schulkindern zu gewährleisten, ist neben den Schulen die Einrichtung sogenannter „Kinderstraßen“ geplant, die während der Schulzeiten Bestand haben.
Zahl der Radfahrten steigt um 50 Prozent
Bürgermeisterin Hidalgo möchte mit der ökologischen Umwandlung von Paris vor allem die Luft- und Lebensqualität erhöhen. Dafür hat sie bereits in ihrer ersten Amtszeit neue Akzente in der Verkehrspolitik gesetzt – durch den Ausbau von Radwegen und die Sperrung der unteren Seine-Ufer für den Autoverkehr. Seit 2018 lockt die Stadt außerdem mit einer Förderung beim Kauf eines E-Bikes von bis zu 400 Euro. Ergebnis: Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Fahrradfahrten um 50 Prozent an, die Auto-Nutzung ging dagegen laut dem französischen Wirtschaftsmagazin „L´Usine Nouvelle“ erstmals seit 80 Jahren zurück.
Lyon: Seilbahn im Personennahverkehr
Wie Paris hat die Stadt das Flussufer von Autos befreit, grün und fahrradfreundlich umgestaltet. Ein leistungsfähiger Tunnel bindet zudem Außenbezirke per Radverkehr an. Der frisch gewählte Bürgermeister Bruno Bernard hat kürzlich eine Studie in Auftrag gegeben, die sich mit der Installation von zwei Seilbahnen für den ÖPNV beschäftigt. Über den Luftweg könnten künftig die Gemeinden Francheville, Sainte-Foy-lès-Lyon mit Lyon sowie Techlid (Limonest) und Vaise miteinander verbunden werden. Das Plus: Die Baukosten für die Seilbahn sollen deutlich niedriger sein als für eine neue Straßenbahn- oder U-Bahn-Linie.
Dem Ausbau einer weiteren U-Bahnlinie steht Bernard daher kritisch gegenüber. Nicht zuletzt deshalb gilt es als durchaus möglich, dass in Lyons Westen künftig vor allem Seilbahnen zum Einsatz kommen, während im Osten als öffentliches Verkehrsmittel vermehrt Straßenbahnen eingesetzt werden.
Tunnellösung für weniger Pkw-Verkehr: In Lyon bindet ein leistungsfähiger Fahrradtunnel die Außenbezirke an.
Mehr Radwege, mehr Stellplätze
Ergänzend zum Ausbau des alternativen Öffentlichen Personennahverkehrs soll auch die Zahl der Radfahrer in der Metropole weiter zunehmen. Dafür wurden temporäre Radwege, neue zusätzliche Abstellplätze sowie Reparaturhilfen eingerichtet. Außerdem bietet die Stadt seinen Einwohnern die langfristige Vermietung von E-Bikes.
Straßburg: Innovative Anreize für Radfahrer
Die laut dem Verband der Fahrradnutzer radfreundlichste Stadt Frankreichs motiviert unter dem Motto „Au boulot – à vélo!“ (Zur Arbeit mit dem Rad!) ihre Bewohner seit Jahren zum Umstieg aufs Rad. Dafür werden die bestehenden Netze von derzeit rund 700 Kilometern kontinuierlich modernisiert, Veloschnellwege in die umliegenden Viertel ausgebaut und bis 2025 auch die Zahl der aktuell 6000 Mietfahrräder erhöht.
Autofreies Zentrum: In Straßburg ist die City zum großen Teil für Radfahrer und Fußgänger reserviert.
Selbstbedienungswerkstätten an den Velostrecken
Für die dadurch erhoffte stärkere Fahrradnutzung ist die Stadt bereits jetzt gut gerüstet: Überall in Straßburg wurden zahlreiche Stellplätze eingerichtet – 22.000 Stück an der Zahl. Entlang der Vélostras-Strecken können zudem in drei Selbstbedienungswerkstätten Reifen aufgepumpt oder Bremsen festgezogen werden. Um die Zahl der Diebstähle einzudämmen, testet die Stadt derzeit auch ein Trackingsystem für Fahrräder.
Als weiteren Anreiz für den Umstieg aufs Rad, bietet Straßburg bis zu 50 Euro Prämie, wenn alte Fahrräder wieder fahrtüchtig gemacht werden. Für Autos ist in der Stadt, in der regelmäßig das EU-Parlament tagt, ohnehin wenig Platz: Ein Großteil der Innenstadt ist längst autofrei.